Unmittelbar vor dem Corona-Shutdown stattete im Februar Deutschlands prominentester Showmaster Thomas Gottschalk seiner Heimatstadt einen Besuch ab. Dabei besuchte er zusammen mit seinem Bruder Christoph auch seine ehemalige Schule, das Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium. Begleitet wurde er von einem Fernsehteam, das im Auftrag des Bayerischen Rundfunks eine 45-minütige Reportage zu seinem bald anstehenden 70. Geburtstag dreht.

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Für Thomas Gottschalk, der in den 60er Jahren am MGF zur Schule ging und 1971 hier sein Abitur ablegte, hatte sich Schulleiter Horst Pfadenhauer eine ganz besondere Überraschung ausgedacht: Für ihn arrangierte er ein Zusammentreffen mit zwei seiner ehemaligen Lehrer, Studiendirektor i.R. Alfred Biedermann und Studiendirektor i.R. Josef Heim. Groß war deshalb auch die Freude auf beiden Seiten. Bereits vor fünf Jahren war Kulmbachs Superpromi am MGF, um aus seinem Buch „Herbstblond“ zu lesen. Im Unterschied zu dem damaligen Zusammentreffen, bei dem alte Kontakte wieder aufgefrischt wurden, ging es diesmal „privater“ und fernab aller Öffentlichkeit zu. Und auch damals wünschte sich Thomas Gottschalk einen Gang durch seine ehemalige Schule. Nach einer kurzen Schulhausführung, setzte man sich in Thomas Gottschalks ehemaligem Klassenzimmer zusammen und schwelgte in alten Erinnerungen. So präsentierte Alfred Biedermann, mittlerweile 93 Jahre alt und Thomas Gottschalks Griechischlehrer, dem überraschten Gast ein Foto, das diesen als Nikolaus verkleidet mit seiner kleinen Tochter zeigte. Gottschalk verdiente sich nämlich damals als Oberstufenschüler mit seiner Nikolaustour ein bisschen Taschengeld dazu. Auch sein Schulfreund Manfred Ritter, der mit ihm bereits auf der Talk-Couch vor fünf Jahren am MGF gesessen war, steuerte zahlreiche Anekdoten bei. Dabei redete man aber auch über aktuelle Themen, wie das heutige Schulsystem und die Digitalisierung, stellte Vergleiche zwischen früher und heute an.

StD Alfred Biedermann, Gottschalks Griechischlehrer zeigt seine Postkarte, die Thomas Gottschalk ihm bei seinem ersten Griechenlandaufenthalt gesandt hatte.

„Ich habe früher nichts lieber gemacht als Interviews in Schülerzeitungen, weil ich immer gedacht habe, das sind Menschen, die sich wirklich für mich interessieren.“ Mit diesem Satz begann Thomas Gottschalk sein Interview mit dem „Ventilator“, der legendären MGF-Schülerzeitung, die es bereits seit Gottschalks Schulzeiten unter dem gleichen Namen gibt. Am Anfang standen aber auch nachdenkliche Worte über den Wandel in der Interviewkultur, die in Zeiten der Online-Medien sich sehr geändert hätte. „Heute kann jeder Satz, der aus dem Zusammenhang gerissen wird, zum Shitstorm werden kann“, so Gottschalk.

Moritz Oertel und Antonia Larisch nutzten als MGF-Chefredakteure die einmalige Chance, ihrem großen Vorbild im Medienbereich Fragen aus erster Hand zu stellen. Problematisch wurde es für die sehr höflichen Schüler, als Thomas Gottschalk auf der für ihn gewohnt persönlichen Anrede des „Du“ bestand. Da rutschte dann doch immer wieder im Verlauf des Interviews bei den Redakteuren das „Sie“ heraus.

Wie es denn für ihn sei, nach längerer Pause an sein altes MGF zu kommen, war eine ihrer ersten Fragen. „Es ist ein tolles Gefühl, wieder einmal hier zu sein. Ich bin ja in einem fortgeschrittenen Alter“, so Gottschalk wie immer mit einer Portion Selbstironie. „Und dass ich es heute schaffe, dass mein 93-jähriger Griechischlehrer sich aufmacht, um mit mir am MGF zusammenzutreffen, ist doch eine große Ehre. Das freut mich sehr.“ Und zu den Redakteuren der Schülerzeitung gewandt: „Die Schule an sich verlässt einen nie. Das Eigenartige ist, dass ihr beide euch auch in 50 Jahren noch an viele eurer Lehrer erinnern werdet. Es ist mir in meinem Leben vieles passiert und ich habe in der Zwischenzeit einiges erlebt, was ich schon längst wieder vergessen habe. Was habe ich für interessante Menschen getroffen, von Harrison Ford bis Justin Biber, und trotzdem werde ich Alfred Biedermann, meinen alten Griechischlehrer nicht vergessen.“

Die Frage, welche Orte am MGF Thomas Gottschalk besonders gut in Erinnerung geblieben sind, antwortet er spontan mit einem Blick aus dem Fenster:
„Das da unten war unser Faustballplatz.“ Und sofort rekonstruiert er im Geiste die alte, heute nicht mehr stehende Turnhalle, „ein Bau, da hast du die Schweißfüße von 20 Schülergenerationen drin gehabt. Da sind wir mit unserem geschnürten Turnbeutel zum Sport gegangen. Wir haben ja noch über Pferde geturnt. Das werde ich mein Leben nie vergessen. Und vor allem der Hopserlauf bei Turnlehrer Eckert muss erwähnt werden!“

Viel länger geht er auf die Frage ein, was denn seine Motivation war, aus Kulmbach wegzugehen. „Du lebst ja in Kulmbach nur, um Kulmbach zu verlassen. Und als ich dann in München studiert habe, habe ich jedes Wochenende irgendeine Möglichkeit gesucht, wieder nach Kulmbach zu kommen. Du hältst dich für Großes geboren. Ich hab do oben, das gibt´s heute nicht mehr, im Old Castle, Platten aufgelegt. Du sagst, Kulmbach ist zu eng für dich. Dann stand ich in München, hatte eine Ponyjacke, weißbraun gescheckt, mit einer großen Kapuze. Ich kam in München in keine Diskothek rein, mit dieser Scheißjacke. Aber in Kulmbach kam ich überall damit rein. In Kulmbach war ich der „Dommy“, der DJ. „Dä Goddschalg is widde do!“

Auch auf die Frage, wie es denn für ihn damals gewesen war, als er – selber noch nicht prominent – seinem allerersten Promi gegenübersaß, antwortet Gottschalk: „Das ist eine interessante Frage: Im Musikreport „Neues vom Musikreport mit Werner Götze“ habe ich meine ersten Musikinterviews gemacht. Ich war damals noch nicht dieser Musikfreak und habe damals Leute interviewt wie Jonny Cash z.B.. Der hat immer „son“ zu mir gesagt! „Well son!“ Das waren natürlich Legenden, aber die waren einfacher. Nach dem Konzert saßen die in irgendeinem Kabuff mit der offenen Gitarrenkiste und der Brotzeit auf den Knien und dann hast du die interviewt und die waren nett. Also es gab nicht diese Wahnsinnigen wie heute, wo das Management dazwischengeschaltet war mit exakten Zeitvorgaben. Die waren damals viel entspannter. Da hat sich für mich diese Ängstlichkeit zwischen Promi und dem kleinen Radio-Gottschalk nicht so gestellt. Die waren auch easy, die wollten ja was. Damals war Radio ja mächtig. Wenn ich Platten von den Stars gespielt hatte, da hatten die was davon. Heute inszenieren die sich über Videos oder über irgendwelche Youtube-Geschichten. Ich war damals Influencer in dem Sinne, als ich gesagt habe, wir machen ein Interview, das spiel ich im Radio und dann spiel ich ne Platte von dir. Das fanden die toll.“

Auf die Frage, welcher Star Gottschalk am meisten beeindruckt hat, kommt die spontane Antwort: „Du hast natürlich immer das größte Fracksausen, wenn du Leute triffst, die dir schon in deiner Jugend etwas bedeutet haben. Also als ich zum ersten Mal Sean Connery, meinem James Bond, gegenüberstand, war ich aufgeregter als wenn ich heutige aktuelle Stars treffe. Es ist natürlich auch so, dass du in deiner Zeit auch ganz anders hängst. Und aus der kommst du auch nicht raus. Wenn ich heute mir Musik runterlade, dann gucke ich immer noch nach Creedance Clearwater Revival -Greatest Hits und nicht unbedingt danach, was gerade in einer Ibizia-Lounge für Techno-Hits laufen.“

Auf die Frage, ob es berühmte Personen gebe, deren Eigenschaften Gottschalk als vorbildlich findet, lautet seine spontane Antwort:
„Die meisten Begegnungen sind ja oberflächlich. Man tauscht sich hier nicht persönlich in irgendeiner Form aus. Es gibt natürlich einige, wo das anders ist, z.B. Pink ist o.k., lebt in Malibu. Wenn du die triffst, siehst du nicht, dass das Pink ist, die ist abgeschminkt, die sieht ganz anders aus, wenn sie mit ihrem Baby unterwegs ist. Mit so Leuten habe ich zwischendurch auch andere Gespräche. Das ist dann das, was interessant ist. Es gibt zwei Welten. Die eine ist die Show-Welt, da redest du nur von Platten, Shows und MakeUp und dann gibt es die wirkliche Welt, in der muss jeder leben. Auch Promis haben Probleme mit ihren Kindern, auch Promis haben Tanten die saufen und Enkelkinder die klauen.“

Und als Fazit bilanziert Gottschalk:
„Ich habe wahnsinnig viele Menschen getroffen. Die einzige Erkenntnis, die ich mitgenommen habe: Man möchte letzten Endes mit niemandem tauschen.“

Auf die Frage, was Gottschalk in seinem Leben noch erreichen möchte, kam die spontane Antwort: „Ich möchte so alt werden wie mein Griechischlehrer, Alfred Biedermann, der ist 93.“ Und mit einem Schmunzeln: „Da hätte ich noch 12 Jahre. Rechnen konnte ich noch nie.“

Welche Tipps Gottschalk für die Schüler seiner ehemaligen Schule habe, lautete die Abschlussfrage. Gottschalk trocken: „Ich glaube, wenn die Schüler des MGF es nötig haben, von mir Lebensweisheiten mitzubekommen, dann kann die Schule dicht machen. Ich sitze doch hier nicht als der weise Sokrates, der nach 100 Jahren wieder am Ort seiner frühen Kindheit auftaucht. Ich habe die Schule mit Müh und Not überstanden, mit Ach und Krach. Als ich auf meiner Abiturfeier war, wusste ich nicht, ob ich das Abitur überhaupt bestanden habe. Ich habe trotzdem gefeiert und lustig war´s.
Wir hatten damals das große Glück, dass unsere Schule noch relativ überschaubar war. Wir hatten noch so ein bisschen die Romantik dieser alten Lehrkräfte, die aus dieser Bewegung gekommen sind, man muss Leuten was fürs Leben mitgeben. Unsere Lehrer haben sich viel getraut. Unsere waren so wurstig, die haben einfach ihren Stiefel gemacht. Und die Schule hat uns Spaß gemacht. Kein Mensch hat ein Handy gehabt und konnte etwas googlen, bei uns hieß es einfach „noochbläddern“.

Ein Zusammenschnitt dieses Interviews wurde wenig später über den MGF-Radiokanal „Radio Galaxy“ ausgestrahlt. Auch eine Sonderausgabe des Ventilators in digitaler Form sicherten die beiden Redakteure Antonia Larisch und Moritz Oertel Thomas Gottschalk zu, der im Anschluss an dieses Interview noch einige Turnbeutel mit MGF-Emblem signierte.

Dass es Thomas Gottschalk an „seinem“ MGF gefallen hat, sah man auch daran, dass der „inoffizielle“ Besuch viel eher begann als angekündigt und deutlich länger dauerte als geplant. Schön war´s. Am MGF freut man sich auf ein baldiges Wiedersehen nach Thommys rundem Geburtstag.

Pfadenhauer, OStD