Abiturrede
des Schulleiters Horst Pfadenhauer, OStD
am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium zu Kulmbach
Abiturjahrgang 2024
28. Juni 2024

„QUAE RES IN VITA?“ – „Worauf kommt es im Leben an?“

Als Direktor unseres mittlerweile 631 Jahre alten Gymnasiums, das in der Tradition der ehemaligen Kulmbacher Lateinschule 1393 steht, ist es ein schöner Brauch, die alljährliche Abiturrede mit einem lateinischen Zitat zu beginnen.
Bisher habe ich immer bei berühmten Klassikern Cicero, Caesar, Catull Anleihen genommen.
Nun, diesmal weiche ich ganz bewusst von diesem Vorgehen ab und übersetze das zentrale Zitat als Frage einfach selber ins Lateinische:
„Worauf kommt es im Leben an? – Quae res in vita?“

Sehr geehrter Herr Landrat Klaus Peter Söllner,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Frank Wilzok,
liebe Eltern und Angehörige,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Mitglieder unsres Elternbeirats, ,
liebe Vorstandsmitglieder unseres Fördererverbandes,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
aber vor allem: meine lieben MGF-Abiturientinnen und Abiturienten,
wieder einmal feiert das MGF diesen ganz besonderen Tag mit seinem Abschlussjahrgang, dem letzten im G8 (!),
heute ist Euer Tag,
ein Tag der Freude,
ein Tag der Erleichterung nach überstandenen Mühen,
ein Tag, an dem ihr alle strahlt, voller berechtigtem Stolz und voller Freude
über das Erreichte,
denn Ihr habt das Abitur, die Allgemeine Hochschulreife an einem bayerischen Gymnasium erreicht.
Und ich, als Euer Schulleiter, der sehr viele von Euch auch aus dem Unterricht persönlich und aus vielen Begegnungen kennenlernen durfte,
ich freue mich mit Euch!
Herzliche Gratulation zum bestandenen Abitur 2024!
Unser vollster Respekt und unsere Anerkennung!
Dass alle Prüfungen in der Vorbereitung und in der Durchführung doch so gut abgelaufen sind, dafür mein herzlichster Dank an alle Verantwortlichen, vor allem an euren Oberstufenkoordinator Herrn Oberstudienrat Volker Posel.

Ich kehre zu meinem Anfangszitat zurück:
„Quae res in vita?“ Worauf kommt es im Leben an?
Nun, es ist interessant, welche Antworten man bekommt, wenn man seine Schüler befragt. Ich habe das getan. Die Spannbreite ist beeindruckend und man kann natürlich auch einen gewissen Grad an Reife, Bildung und vor allem Empathie daraus ableiten.

Hier die Antworten, die ich auf meine Frage, worauf es denn ankomme im
Leben von Euch erhalten habe:

  1. “Verantwortung in unserer Gesellschaft übernehmen“,
  2. „meinen Traumberuf ergreifen und in diesem segensreich arbeiten“,
  3. „sich für andere engagieren“,
  4. „Die Welt ein klein bisschen besser machen als sie momentan ist“,
  5. „einfach glücklich sein und das Leben im Stillen genießen“
  6. „so viel Geld wie möglich zu verdienen, egal in welchem Beruf“ und
  7. „Party pur bis zum Abwinken. Wir sind jung. Alles ist endlich! Lass
    es krachen! Carpe diem!“ – Da hat einer in Latein gut aufgepasst!

Nun, dass an einem solchen Abend das Party pur-Feeling überwiegt und die Freude über das Erreichte nach unserem Dankgottesdienst und dieser festlichen Abiturverabschiedung später in einer hoffentlich unvergesslichen Abiturfeier im Brunnenhof weitergehen wird, ist doch verständlich. Doch gerade deswegen sei es erlaubt, auf zumindest vier der ernsteren Antworten einzugehen.

Quae res in vita? Worauf kommt es an im Leben?
1. Antwort: „Verantwortung übernehmen!“ – Natürlich. Das erwarten wir von Euch. Dafür haben wir Euch ausgebildet und Euch dafür auf
den Weg gebracht. Ihr seid, wenn Ihr es wirklich innerlich wollt, prädestiniert, Verantwortung und vielleicht sogar auch Leadership an herausgehobenen Positionen zu übernehmen. Das bestandene Abitur ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für Euch auf dem Weg zur Verantwortungsübernahme. Gerade in einer Zeit wie der jetzigen ist genau dies das Gebot der Stunde. Und Verantwortung, das wird jeder, der welche trägt, egal an welcher Stelle, euch sagen, bedeutet: Mit gutem Beispiel vorangehen, in der Lage sein, Entscheidungen, auch unbequeme, treffen zu können, klare Kante zu zeigen, alle mitzunehmen, keinen auszuschließen, innovativ zu sein, ganz wichtig: kommunikativ zu sein, einfach fleißig zu sein und vor allem Empathie zeigen, d.h. auch und immer stets die Bodenhaftung zu behalten.

Quae res in vita?
2. Antwort: „Meinen Traumberuf ergreifen und in diesem segensreich arbeiten.“ – Ein super Satz, denn er beinhaltet genau das, was für
die meisten Menschen, wenn sie in der Retrospektive auf ihr Berufsleben blicken, ein wesentlicher Schlüssel zu einem glücklichen, erfüllten Leben ist: Nichts ist schöner, als nach den Mühen der Ausbildung oder des Studiums, den Beruf auszuüben,
den man sich schon als Kind oder Jugendlicher erträumt hat und für den man innerlich brennt. Wenn man das erreichen kann, wird man hohe Qualität im beruflichen Standard abliefern, wird man jeden Tag voller Freude zur Arbeit gehen, wird man automatisch Vorbild sein
und andere dadurch selber für diesen Beruf begeistern. – Ich wünsche Euch gerade das von Herzen!

3. Antwort: „sich für andere engagieren“ – Wie selbstlos, wie weltverbesserisch und wie naiv das doch klingt“, sagen vor allem die Egoisten voller Sarkasmus. „Die Welt brauchte und braucht unendlich Viele, die genau so denken!“, rufe ich dann diesen Skeptikern fast wütend zu in einer Zeit der schlechten Beispiele von Putin bis Trump und des Wiedererstarkens des Rechtsradikalismus in unserem Staat.
Was bin ich froh, dass ich gerade an unserer Schule so viele lebendige Beispiele aus Eurem Jahrgang habe, wo es eine Selbstverständlichkeit ist, sich für andere zu engagieren: Ich denke nur an die Spendenaktion für die Ukraine, die du, Silvana, als unsere damalige Schulsprecherin mit auf den Weg gebracht hast. Ich denke an die starke Teilnahme unserer Schülerschaft an der Demonstration für Demokratie und gegen Rechtsradikalismus auf dem Marktplatz Ende Januar in Kulmbach. Da habt Ihr Flagge gezeigt, da habt Ihr gezeigt, dass Ihr fähig seid mitzudenken, dass Ihr kritisch sein könnt, dass Ihr nicht unreflektiert die dumpfbraunen Frechheiten ewig Gestriger kommentarlos über Euch ergehen lasst. Mich hat dieses Erlebnis als Euer Schulleiter sehr, sehr stolz gemacht!
Und ich denke an die vielen Schulveranstaltungen, wo unsere Tutoren oder Jahrgangsstufensprecher sich für unsere Schulgemeinschaft einsetzen. Viele von Euch sind schon in der Feuerwehr, im THW, bei den Sanitätern und in unterschiedlichen Vereinen stark engagiert. Bei uns an der Schule habt Ihr quasi einen Probelauf hingelegt. Die Herausforderung im Großen, im Staat, im Beruf, im Ehrenamt – sie warten noch auf Euch. Aber da bin ich mir sicher, dass Ihr auch dieses selbstlose Engagement bestens meistern werdet.

4. Antwort: „einfach glücklich sein und im Stillen das Leben genießen“ – Auch eine gute Antwort, trägt sie doch so viel Interpretationsspielraum in sich. Leben allein oder zu zweit. Liebe und Leben mit dem Traummann oder der Traumfrau, wenn, dann aber auf gleichberechtigter Augenhöhe, d.h. intellektuell und partnerschaftlich. Familie: ja oder nein. Unsere Welt ist bunter geworden, alte Rollenklischees brechen allmählich auf. „Einfach glücklich sein!“ – Na klar. Sich über die kleinen Dinge im Leben freuen können, sich das Staunen zu bewahren, dankbar sein zu können und im Idealfall dieses Leben in Gesundheit lange leben zu können. Glück bedeutet, Erfüllung, bedeutet Genuss, bedeutet innere Zufriedenheit, die auf andere ausstrahlt und andere glücklich macht.

– All das wünsche ich Euch von Herzen! –

Quae res in vita? – Haec est res in vita! Genau das ist es, worauf es ankommt im Leben!
Waren das nicht vier wirklich gute, brauchbare Antworten unserer Schüler und Schülerinnen auf meine Frage? Ich denke schon.
Mich jedenfalls stimmen sie optimistisch.
Sie stimmen mich optimistisch in einer Zeit der Bedenkenträger, in einer Zeit der Herausforderungen durch zeitgleiche Krisen, in einer Zeit, die zurecht als Transformationszeit bezeichnet wird, also einer Zeit der Umbrüche, des Umbaus in vielen Bereichen. KI, Klimawandel, übersteigerter Nationalismus werden die großen Herausforderungen der Zukunft sein.
Und gerade Euere Generation wird dies alles bestehen und meistern müssen.