Gemeinsam statt gegeneinander: „Friedensmesse „The Armed Man“ von Karl Jenkins in der Petrikirche
Kulmbach. In diesen Tagen ist das Ende des Zweiten Weltkriegs 80 Jahre her. Das heißt auch 80 Jahre Frieden in Deutschland. Das ist insofern bemerkenswert, als dass wir derzeit mit so vielem bewaffneten Konflikten auf der Welt konfrontiert sind, wie in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht mehr. Doch Kriege sind keine Naturkatastrophen, sie werden von Menschen gemacht. Deshalb können und müssen sich auch Menschen für den Frieden einsetzen. Einer der dies mit den Mitteln der Musik macht und damit großen Erfolg hat, ist der walisische Komponist Karl Jenkins, 1944 geboren. Sein populäres Werk „The Armed Man“ hat die Kulmbacher Kantorei unter der Leitung von Stadt- und Dekanatskantor Christian Reitenspieß zum Jahrestag „80 Jahre Kriegsende“ einstudiert und am Samstagabend in der Petrikirche in einer spektakulären Aufführung präsentiert.
Der Kantorei, am Anfang und am Ende verstärkt durch den Chor des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums, den Solisten Jule Leimenstoll aus Kulmbach (Sopran) und Vahid Shahiifar aus Halle (Muezzinruf) sowie dem Orchester der Musica Juventa Halle und dem dreiköpfigen Schlagzeug-Ensemble Rhein-Neckar ist es in hervorragender Art und Weise gelungen, diese Friedensmesse zu realisieren. Selten dürfte es in der Petrikirche eine für alle Beteiligten derart aufwändige und für die Zuhörer derart aufwühlende Darbietung gegeben haben. Diese Friedensmesse wird allen, die dabei waren, noch lange in Erinnerung bleiben. Schon allein wegen der gewaltigen Zahl an Mitwirkenden. Chor und Orchester dürften an die 150 Musiker gezählt haben.
„The Armed Man“ gilt längst als eines der populärsten zeitgenössischen Werke dieser Gattung. Das liegt vor allem an den vielen unterschiedlichen Stilen, die diese Messe beinhaltet. Sogar ein islamischer Gebetsruf erklingt in der evangelischen Kirche. Für den Komponisten kein Kontrast zu den überlieferten christlichen Worten. Im Gegenteil, er verbinde sich mit ihnen und zeige, wo die beiden Religionen ihr gemeinsames Fundament haben, so beschreibt es Karl Jenkins.
Entstanden ist das beeindruckende Chorwerk zum Jahrtausendwechsel, gewidmet ist es den Opfern des Kosovo-Konflikts, aber eigentlich allen Opfern von Krieg und Gewalt. So wie „The Armed Man“ viele musikalische Stilrichtungen beinhaltet, so stammen auch die Texte aus den unterschiedlichsten Weltreligionen und Kulturkreisen. Teile der christlichen Messliturgie stehen neben jüdischen, islamischen und hinduistischen Texten sowie zum Beispiel einem Gedicht des Hiroshima-Überlebenden Tōge Sankichi (der allerdings wenige Jahre danach an Leukämie verstarb).
Inhaltlich geht es in „The Armed Man“ darum, die Schrecken des Krieges aufzuzeigen. Das Werk endet mit der Hoffnung auf Frieden, wenn „Trauer, Schmerz und Tod überwunden werden können“. Damit ist die Botschaft dieses Antikriegsstückes unmissverständlich: Frieden gibt es nur gemeinsam mit allen Kulturen und Religionen, nicht gegeneinander.
Im Mittelpunkt der Aufführung steht der vierstimmig gemischte Chor der Kantorei. Unter der Leitung von Christian Reitenspieß werden sowohl die traditionellen Kompositionen einer Messe wie das „Agnus dei“ oder das „Benedictus“, als auch die ungewöhnlichen Lautmalereien eindrucksvoll interpretiert. In zwei Teilen der Komposition ist außerdem der Chor des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums in der Einstudierung und unter der Leitung von Hubertus Baumann beteiligt. „Auch für junge Menschen ist die Erinnerung an den Krieg sehr wichtig. Ich finde, es ist ein starkes Signal, diese Kooperation gerade jetzt zum ersten Mal anzustoßen“, so Christian Reitenspieß. Ein wunderbares Sopransolo singt Jule Leimenstoll vom MGF von der Kanzel herab, den Gebetsruf zu Beginn interpretiert Vahid Shahiifar aus Halle von der Orgelempore aus.
Das sinfonisch besetzte Orchester der Musica Juventa Halle zieht bei diesem Stück alle Register. Da erklingen gleich zu Beginn die schrillen Töne der Piccoloflöte, die das französischsprachige Soldatenlied „L’homme armé“ aus dem 15. Jahrhundert spielt. Militärisch bedrohlich wirkt im weitern Verlauf noch so einiges, etwa das Sanctus und anschließend das mit Kriegstrompeten unterlegte Stück mit dem Titel „Charge“ („Angriff“) und später das Hornsignal „The Last Post“, das vor allem bei militärischen Begräbnissen gespielt wird. Dazu kommen die drei Schlagwerker, die unter anderem für eine Messvertonung seltene Instrumente dabeihaben, darunter die verschiedensten kleinen und großen Trommeln sowie Glocken. Den überaus wichtigen Orgelpart, ohne den die Lautmalerei nicht funktionieren würde, spielte souverän der Bayreuther Dekanatskantor Michael Dorn.
Vor der Friedensmesse hatte Christian Reitenspieß noch die Komposition „Orient & Occident“ für Streichorchester von Arvo Pärt auf das Programm gesetzt. Der Chor des MGF interpretierte außerdem den Lobpreis des zeitgenössischen österreichischen Komponisten Lorenz Maierhofer und den „Sommarpsalm“ des schwedischen Komponisten Waldemar Ahlen.
Text und Foto: Stephan Herbert Fuchs
Frankenpost/Bayerische Rundschau
